Mein Freund, der Baum …“ – unter diesem Motto hatte die Seevetaler SPD zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Das öffentliche Interesse am Thema war groß; denn es waren an diesem lauen Sommerabend über 50 Besucher – darunter VertreterInnen verschiedener Parteien und zahlreiche Bürgerinnen und Bürger - gekommen, um mehr zu erfahren über den Baumschutz im allgemeinen sowie über mögliche Schutzkriterien und Verfahrensregeln für ein Baumkataster in Seevetal.

Angelika Tumuschat-Bruhn, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, begrüßte die Gäste und stellte als Moderatorin die Diskussionsteilnehmer auf dem Podium vor: unsere Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn, den Sprecher des Umwelt- und Planungsausschusses und Ortsbürgermeister von Maschen, Günter Schulz, sowie Hans Hackländer, den Ortsbeauftragten für Naturschutz der Gemeinde Rellingen.

Monika Griefahn setzte den Schwerpunkt auf einen geregelten Baumschutz in Seevetal; denn unstrittig sei die herausragende Bedeutung eines gesunden Baumbestandes in seiner Komplexität für die Lebensqualität der Menschen.
„Bäume ermöglichen eine große Artenvielfalt (ca. 100 verschiedene Arten pro Hektar); sie binden Staub und neutralisieren CO 2; sie reinigen die Luft und spenden Sauerstoff (ein Baum produziert ca. 4,6 t pro Jahr – das deckt den Sauerstoffbedarf von 10 Menschen im gleichen Zeitraum); großflächiger Baumbestand verhindert die Erosion des Bodens und baut mit Aufdüngung durch Altholz und Blattwerk fruchtbare Humusschichten für Leben aller Art auf“, führte Monika Griefahn aus und betonte, dass diese Erkenntnisse bereits seit dem 19. Jahrhundert sehr wohl verbreitet seien, nachdem noch ein Jahrhundert zuvor großangelegte Waldrodungen, wie z. B. in der Lüneburger Heide, dafür gesorgt hätten, dass es heute kaum noch große zusammenhängende Waldflächen in Deutschland gibt.

Aus bundespolitischer Sicht sei es daher wichtig, endlich eine nachhaltige Umsetzung des Waldschutzgesetzes voranzutreiben – gemäß der Prämisse aus der Forstwirtschaft „Bei der Bewirtschaftung eines Waldes darf nur soviel Holz entnommen werden, wie auch nachwachsen kann.“ Carl von Carlowitz (1713).
Was müssen und können wir also tun? – In Beantwortung dieser Frage stellte Monika Griefahn drei Kernforderungen auf:
• die Novelle des Bundeswaldgesetzes weiterhin auf der politischen Agenda verfolgen und eine Anpassung an die heutigen Erfordernisse einer nachhaltigen Waldwirtschaft mit biologischer Vielfalt vornehmen;
• die Erhaltung der Waldökosysteme als Lebensraum für eine artenreiche heimische Pflanzen- und Tierwelt forcieren;
• in Zeiten des Klimawandels die Lebensqualität für die Menschen erhalten und fortschreiben, durch bessere Luft und eine gesunde Umwelt – grüne Lungen müssen gepflegt werden, im Zuge der Erweiterung bebauter Flächen und verstärkter Infrastruktur, gerade auf dem Lande.

Unter Bezug auf die Novelle des Bundeswaldgesetzes merkte die anwesende Landtagsabgeordnete, Brigitte Somfleth, ergänzend zu den politischen Forderungen für Niedersachsen an: „Seinerzeit war diese als Loewe-Programm (Langzeitige ökologische Waldentwicklung) von der SPD und den GRÜNEN in Niedersachsen angeschoben worden; aktuell, unter der CDU-FDP Landesregierung, wird dieses Schutzprogramm für eine nachhaltige Waldwirtschaft aber immer mehr verwässert – es muss dringend neu aufgelegt werden.“

Günter Schulz fokussierte den Handlungsbedarf auf kommunalpolitischer Ebene und betonte in diesem Zusammenhang, dass eine Verordnung zum Schutz der Bäume heute mehr denn je ein vorrangiges Ziel politischer Arbeit in Seevetal sein sollte.
Auf Nachfrage erläuterte er vorab den Unterschied zwischen einem Baumkataster und einer Baumschutzsatzung:
• das Kataster umfasst nach von Fachleuten vorgegebenen Kriterien eine Auflistung vorhandener Bäume, die schutzwürdig sind;
• die Satzung regelt das Verfahren – eventuelle Ausnahmefälle sowie Sanktionen, bei Nichteinhaltung der Schutzbestimmungen.
Seit fast 25 Jahren seien in Seevetal seitens der SPD-Fraktion bereits mehrfach Versuche unternommen worden, den Schutz des vorhandenen Baumbestandes in der Gemeinde, auf öffentlichem und privatem Grund und Boden, politisch festzuschreiben; doch eine wirksame Lösung sei bislang an den politischen Mehrheitsverhältnissen im Gemeinderat gescheitert. Die derzeitigen Baumschutz-Möglichkeiten im Rahmen bestehender Bebauungspläne reichten bei weitem nicht aus. Grundsätzlich solle sich der Baumschutz auf ortsbildprägende und standortgerechte, also heimische Bäume, Baumgruppen und Gehölze erstrecken.
Die Auswahl der in einem Kataster aufzulistenden Bäume werde durch Fachleute, mit Unterstützung von ehrenamtlichen Helfern (z. B. NABU) erfolgen. „Auf jeden Fall sollen jeweils die Grundeigentümer persönlich mit eingebunden werden – es macht keinen Sinn, im Streit etwas zu erzwingen – hier muss die Politik intensive Überzeugungsarbeit leisten“, bekräftigte Günter Schulz. Darüber hinaus könnten jederzeit eigene Meldungen sowie entsprechende Anträge auf Aufnahme in das Kataster gestellt werden.
Für die Vorarbeiten seien jetzt die Rahmenbedingungen geschaffen worden – mit der Verabschiedung des Haushalts 2010 sind im Dezember letzten Jahres 25.000 Euro fest veranschlagt worden. Parallel müsse nun auch eine Erhöhung der Fördermittel für die notwendigen Pflegemaßnahmen der unter Schutz gestellten Bäume durchgesetzt werden; denn „wir wollen die Grundeigentümer mit ihren Bäumen nicht alleine lassen, sondern sie in ihrem Bemühen um den Erhalt schützenswerter Bäume auch finanziell unterstützen“, betonte Günter Schulz am Ende seiner Ausführungen.

Hans Hackländer stellte das „Rellinger Modell“ vor und betonte in diesem Zusammenhang, wie reibungslos die Einführung eines Baumschutzkatasters in der 14.000-Einwohner-Gemeinde in Schleswig-Holstein abgelaufen sei. „Das läuft seit über 10 Jahren – ganz ohne Zankerei und Murren“, berichtete der Naturschutzbeauftragte nicht ohne Stolz. Man sei sehr behutsam vorgegangen und habe darauf geachtet, dass die anschliessende Baumschutzsatzung mit ihrem Regelwerk nicht zu einem Monster mutiert sei – wie in Hamburg seinerzeit geschehen, durch eine Überbürokratisierung und eine Überfrachtung mit Ausnahmeregeln.
„Das Rellinger Modell hat funktioniert und tut es noch – es kann zweifelsfrei als Vorbild dienen, so dass einer Übernahme durch die Seevetaler nichts mehr im Wege steht“, versicherte Hans Hackländer abschließend und ergänzte, „endgültig überzeugt hat mich schon vor dieser Veranstaltung unsere 1 ½ stündige Bereisung vor Ort mit Angelika Tumuschat-Bruhn und Günter Schulz, als wir mit gezieltem Blick einige der schutzwürdigen Bäume und Gehölze dieser Gemeinde in Augenschein genommen haben.“

Dank der souveränen und fachkompetenten Moderation von Angelika Tumuschat-Bruhn gestaltete sich die anschließende Diskussion mit Fragen und Anregungen aus dem Saal übersichtlich und sehr informativ für alle Anwesenden. Dabei herrschte weitgehend eine positive Einstellung zum generellen Baumschutz vor.

„Auf privaten und öffentlichen Grundstücken sollten ortsbildprägende Baumbestände unbedingt geschützt werden. Die Gemeinde sollte hier Vorbild sein – insbesondere bei der Vergabe von Baugrundstücken an Investoren für Gewerbe müssen entsprechende Rahmenbedingungen festgeschrieben werden (Negativ-Beispiel: Maschen-Zentrum)“, so die Forderung einer Veranstaltungsteilnehmerin.
Auch der anwesende Bürgermeister der Gemeinde Seevetal, Günter Schwarz, konnte hier Rede und Antwort stehen.

„Wir haben eine lebendige Diskussionsrunde erlebt und sind sehr zufrieden mit der durchweg positiven Resonanz heute Abend“, kommentierte Angelika Tumuschat-Bruhn diese Veranstaltung,
Der Ortsbürgermeister wandte sich in einem Appell an die Gäste: „Nehmen Sie die Ergebnisse des heutigen Abends mit in Ihre Gärten und sprechen Sie mit Ihren Nachbarn – helfen Sie mit und werben Sie um Unterstützung für unseren gemeinsamen Weg zu einem Baumkataster in Seevetal.“
„Zu fällen einen schönen Baum braucht's eine halbe Stunde kaum.
Zu wachsen bis man ihn bewundert, braucht er, bedenk es, ein Jahrhundert.“
Eugen Roth, deutscher Schriftsteller und Dichter (1895-1976).
Treffender lässt sich unser Anliegen zum Schutz der Bäume nicht umschreiben, meinte auch Günter Schulz, als er dieses Zitat seinen Ausführungen voranstellte.

Es bleibt die Hoffnung, dass Veranstaltungen wie diese dazu beitragen, das ökologische Bewußtsein in unserer Gesellschaft zu prägen und somit auch nachhaltig zu wirken – denn:
wir brauchen die Bäume, die Bäume brauchen uns Menschen nicht!

von Marianne Landeck