SPD, Freie Wähler, Linke und Grüne fordern von der CDU eine Rückkehr zur sachorientierten Kommunalpolitik.

Die Empörung ist riesengroß und zieht sich quer durch die Reihen von SPD, Freien Wählern, Linken und Grünen in Seevetal – von den Parteispitzen über die Ratsmitglieder hin zu den Mitgliedern an der Basis. „Die CDU Seevetal hat Grenzen deutlich überschritten, das können wir nicht akzeptieren“, sind sich alle Mandatsträger einig. „Wir stehen für konstruktive, sachorientierte Arbeit im Gemeinderat – die CDU Seevetal hat sich davon jetzt verabschiedet und mit ihren inakzeptablen Reaktionen auf unsere Einwände derzeit als Gesprächspartner disqualifiziert.“

Was ist passiert?

Erstmals seit längerem hat die CDU im Gemeinderat Seevetal eine Abstimmung verloren. Im Gegenzug inszenierte sie aufwendig eine populistische Kampagne, die sie „Sicheres Seevetal“ nannte. Flächendeckend wurden düstere Plakate mit Slogans aufgehängt, die die anderen Parteien ins kriminelle Spektrum rückten, z.B.: „Hier entsteht für Sie: Ein neuer krimineller Hotspot. Im Gemeinderat wurde die Nachtabschaltung der Straßenbeleuchtung ermöglicht von: SPD, Grüne & Freie Wähler.“ Begleitend dazu gab es eine ebenfalls aufwendig inszenierte Website-Show bei der CDU, in der den Menschen in Seevetal Angst und Bange gemacht wurde. Außerdem wurde ein Link zu einer vorformulierten E-Mail an die Antragsteller (die Grünen) bereitgestellt, die von möglichst vielen versandt werden sollte.

Erste Reaktionen

„Das ist eine unerhörte Diffamierung unserer Parteien und der Ratsmitglieder. Hier werden Parteien und damit ihre Mitglieder wissentlich zu Unrecht in die Nähe von Kriminalität gerückt und dies auch noch per Plakataushang angeprangert“, sagt Andreas Rakowski, Vorsitzender der SPD Seevetal. „Es untergräbt den zuletzt praktizierten Konsens der sachlich orientierten gemeinsamen Arbeit der demokratischen Parteien im Gemeinderat“, erklärt Heiner Steeneck, Fraktionsvorsitzender der SPD im Gemeinderat. Als die ersten Plakate aufgehängt wurden, konnten viele kaum glauben, dass sie tatsächlich von der
CDU stammten: „Ich hatte wirklich gemeint: Das sind Fakes von einer anderen Gruppierung, so unterirdisch populistisch wird doch die CDU keine Kampagne fahren. Das passt eher zur AfD“, sagt Peter Stielert, Partei-Vorsitzender der Seevetaler Grünen. „Genau das war auch die erste Reaktion von Bekannten, denen ich kommentarlos Fotos von den Plakaten gezeigt habe.“ Die CDU bestätigte allerdings die Echtheit.

Der Hintergrund

Im Gemeinderat wurde nach üblicher Diskussion für drei Jahre (bis alle Leuchten auf LED umgestellt sind) eine stundenweise Nachtabschaltung (von 0:00 bis 4:30 Uhr) eines Teils der Straßenlaternen (987 von 5770, ca. 17%) beschlossen, um Energie, Geld der Steuerzahler und CO2 zu sparen und einen kleinen Beitrag gegen die Lichtverschmutzung zu leisten. Die Einsparung während der viermonatigen Testphase 2023 betrug rund 20.000 Euro. Die CDU ist der Ansicht, dass damit die Sicherheit in Seevetal entscheidend gefährdet sei und versuchte mit einer Fülle von unbelegten Halbwahrheiten und Falschaussagen, die ihr nachgewiesen wurden, Ängste in der Bevölkerung zu schüren, um eine nachträgliche Gegenstimmung zu erzeugen. Dabei scheute sie sich nicht, die anderen Parteien als Verursacher von neuer Kriminalität – ja sogar vieler krimineller „Hotspots“ in Seevetal – auf Plakaten darzustellen, und warnte die Menschen vor dem „Verlust Ihrer Sicherheit“. Gegen alle Einwände und Interventionen der anderen Parteien zeigte sich die CDU beratungsresistent und zog ihre Aktion bis zum Ende durch, ohne Rücksicht auf die Beschädigung der demokratisch-politischen Kultur in Seevetal. Die unangemessene Kommunikation und Uneinsichtigkeit der CDU führte zu einem Hochschaukeln der Emotionen statt zur Beruhigung.

Halbe Wahrheiten

Es wurde indirekt suggeriert, dass die Straßen in Seevetal die ganze Nacht komplett dunkel seien und sich niemand mehr auf die Straße trauen könne. Kinder, die sich nachts (zwischen 0.00 und 4.30 Uhr !!) draußen aufhalten, wurden anfangs zu den „Hauptbetroffenen“ gezählt. „Ich finde es unanständig, in diesem Zusammenhang Kinder zu instrumentalisieren“, sagt die Grüne
Fraktionsvorsitzende und Mutter Jennifer Brunsiek. Eine steigende Einbruchsquote wurde von der CDU prognostiziert, ohne jeden belastbaren Beleg. „Hier hat man auf populistische Art und Weise versucht, Ängste zu schüren und Verunsicherung in der Bevölkerung zu erzeugen, um sich dann hinterher als Retter aufzuspielen“, sagt Timo Röntsch, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Gemeinderat. „Die CDU kann ja gern das Thema Sicherheit aufgreifen, aber nicht mit falschen Tatsachenbehauptungen, über die wir sie informiert haben – und ich muss mich dagegen verwahren, dass den Grünen und damit auch mir als grünem Ratsmitglied die Förderung der Kriminalität untergeschoben wird“, sagt zum Beispiel das langjährige Ratsmitglied Gerd Otto Kruse.

Intelligente Lichtsysteme

Eines der vielen Eigentore der CDU ist, dass sie sich als Heilsbringer generiert, indem sie auf „intelligente Lichtsysteme“ setzt. Nun, dagegen hat keine Partei etwas, der Vorschlag auf Einrichtung eines Arbeitskreises zu diesem Thema wurde auf der gleichen Sitzung einstimmig im Rat angenommen. Mehr noch: “Bereits 2018 hatten wir einen Antrag auf Prüfung intelligenter Straßenbeleuchtung im Rat eingebracht, es gab sogar einen Probebetrieb in Hittfeld, doch das Projekt wurde von der CDU-Bürgermeisterin nicht weiter verfolgt“, sagt Joachim Kotteck von den Linken. „Schön, dass die CDU das Thema nun sechs Jahre später aufgreift.“

Wie geht es weiter?

Inzwischen hat die CDU eine „Mitteilung zur CDU-Kampagne“ versandt. Der darin enthaltene Entschuldigungsversuch erscheint weder aufrichtig noch wirklich ernst gemeint, obendrein läuft die CDU-Angstkampagne in den sozialen Medien und auf den Websiten der CDU im Kern unverändert weiter. Die Konfrontation hat zunächst zu einer deutlich engeren Zusammenarbeit von SPD, Freien Wählern, Linken und Grünen geführt. „Eine CDU, wie sie sich hier dargestellt hat, kann kein akzeptabler Gesprächspartner für eine demokratische Partei sein“, sagen unisono die Parteispitzen und Fraktionsvorsitzenden der vier Parteien. „Wir fordern die CDU Seevetal auf, in die Realität zurückzukehren und sachorientiert Politik für die Menschen in Seevetal zu machen, statt sie zu spalten und zu verängstigen. Wir haben andere Themen, für die man sich so aufwendig einsetzen kann, als die stundenweise Nachtabschaltung von 987 Straßenlaternen. Wie wäre es mit sozialem Wohnungsbau, bezahlbarem Wohnraum, Seniorenbetreuung, Wassermanagement, Erhalt von Mooren, maroden Schulen, Kita-Unterbesetzung und anderem?“

Gezeichnet von

SPD, Fraktionsvorsitzender
Freie Wähler, Fraktionsvorsitzender
Grüne, OV-Parteivorsitzender